2010

Juli 2010

In Farben des Lebens

In Slatoust versammelten sich zum ersten Mal beim „Art-Labor“ die russlanddeutschen Maler. Gemeinsam zeichneten sie, redeten, schmiedeten Pläne und gründeten schließlich die Künstlervereinigung der Russlanddeutschen (KVRD). Zur Vorsitzenden wurde verdiente Künstlerin der Russischen Föderation, Malerin Nina Lochtatschjowa (Lützow) gewählt. Heute werden die KVRD-Initiativen von berühmten Medienpersönlichkeiten unterstützt, darunter – Schauspielerinnen Irina Lindt und Anna Bagmet, Sängerin Irina Ortman, der Star der Show „The Voice Kids“ Rutger Garecht und andere.

September 2010

Die Deutschen sind wieder an der Wolga

НFür ein paar Tage schien Uljanowsk deutsch geworden zu sein, zumindest an dem Ort, an dem es Mitte des 17. Jahrhunderts begann – auf der Wenz: Dort fand das allrussische Kulturfestival der Russlanddeutschen „Wir sind Teil deiner Geschichte, Russland! Wir sind Dein Volk!“ statt. Es war ein erlebnisreiches, unvergessliches Fest!

Oktober 2010

Im Oktober 2010 wurde die Gesamtrussische Volkszählung durchgeführt.  Was zeigte sie?

1989 – 842,3 Tausend Deutsche (Die Deutschen gehören zu den 10 größten Völkern der RSFSR)
2002 – 597,2 Tausend Deutsche (Die Deutschen gehören zu den Top 15 der größten Völker in Russland)
2010 – 394,1 Tausend Deutsche (23. Platz in der Liste der Völker Russlands)

Meinungen

2011

Juli 2011

So sind unsere Leute!

Der IVDK führte zum ersten Mal den Gesamtrussischen Wettbewerb „Russlands herausragende Deutsche“ durch. Der erste Preisträger war der Sänger Eduard Hil, der in der nach Anna German benannten Nominierung im Bereich der Kunst ausgezeichnet wurde. In den folgenden 10 Jahren erhielten 65 weitere Personen Auszeichnungen, darunter die Schauspielerin Alissa Freindlich und der Schauspieler Georgij Stil.

August 2011

70. Jahrestag der Deportation der Russlanddeutschen

Im Gebiet Saratow fanden Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Deportation der Sowjetdeutschen statt. Das war damals ein wichtiges Zeichen: Russland und Deutschland sind bereit für einen vertrauensvollen Dialog und gemeinsame Veranstaltungen, basierend auf wahren, ungeschminkten historischen Ereignissen.

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„Sie verloren nicht den Mut“   

Denkmäler sind Markierungs- und Kennzeichen eines symbolischen Territoriums. Die Aufstellung eines Denkmals ist ein symbolischer Akt. In den 1990er Jahren, im Zusammenhang mit dem Beginn der Rehabilitierung, begann man in Russland und Kasachstan mit der Errichtung der Denkmäler für das Schicksal der Russlanddeutschen. Das Denkmal für Katharina die Große in Marx  und das Denkmal für die deportierten Wolgadeutschen in Engels im Gebiet Saratow sind eindrucksvolle Beispiele solcher Monumente.

Am aufsehenerregendsten war die Aufstellung eines Denkmals für Russlanddeutsche –  Opfer der Repressionen in der UdSSR am 26. August 2011 in Engels. Das Monument wurde mit Spenden russischer und deutscher Bürger anlässlich des 70. Jahrestages der Deportation der Deutschen von den Wolgaufern errichtet. Das Denkmal stellt eine Wand aus schwarzem Marmor dar, die das Leben der Deutschen in zwei Hälften teilt – vor der Deportation und danach. Vor dieser Wand sind zwei Menschen –  einer, der im schwarzen Raum der Wand verschwindet, der andere ist der Zurückkehrende. Auf der Vorderseite vom Sockel des Denkmals befindet sich ein Auszug aus dem Buch „Archipel Gulag“ von Alexander Solzhenizyn: („Wie einst auf dem von Kaiserin Katharina geschenkten fruchtbringenden Land, so setzten sie sich jetzt auf dem von Stalin zugewiesenen kargen Boden fest, widmeten sich ihm, als wär‘ s nunmehr für alle Zeit ihr eigen. Nicht bis zur ersten Amnestie richteten sie sich darauf ein, nicht bis zur ersten Zarengnade, sondern – für immer. 1941 blank und nackend ausgesiedelt, jedoch umsichtig und unermüdlich, ließen die Deutschen den Mut nicht sinken und schickten sich an, ebenso ordentlich und vernünftig zu werken. Wo liegt auf Erden jene Wüste, die die Deutschen nicht in blühendes Land zu verwandeln verstünden? Nicht umsonst hieß es im früheren Russland: Der Deutsche ist wie’n Weidenbaum. Wo du ihn hinstreckst, schlägt er Wurzeln“). Die Aufstellung des Denkmals fand vor dem Hintergrund von Auftritten einiger Einheimischen statt, die gegen die Rückkehr der Deutschen in das Wolgagebiet sogar auf solche symbolische Weise protestierten.

Aus dem Artikel von Smirnowa T.B., Podoprigora J.I. „Pamjatniki, pamjatnye mesta i simwolitscheskije territorii v identitschnosti nemzev Rossii i Kasachstana“, veröffentlicht im Sammelband „Aktualnyje woprosy ochrany i ispolzowanija kulturnogo nasledija Kryma: materialy VII. Wserossijskoj nautschno-praktitscheskoj konferenzii, Simferopol, 2020“.

2012

Januar 2012

BiZ

Das, wovon die Russlanddeutschen seit Jahrzehnten träumten, ist nun gelungen: Sie haben ihre eigene hochschulische Einrichtung. Gut, es ist vielleicht nicht die Art von Institution, wie es die deutschen Hochschulen in der Republik der Wolgadeutschen waren, aber dennoch: Es wurde die autonome gemeinnützige Organisation, das „Institut für ethnokulturelle Bildung – BiZ“ gegründet, das die Arbeit des Bildungs- und Informationszentrums – BiZ fortführt. Heute unterstützt das Institut nicht nur die Aktivitäten von Begegnungszentren, sondern ist auch eine Weiterbildungseinrichtung mit eigenen lizenzierten Schulungsprogrammen.

Juni 2012

Europameisterschaft

Der IVDK entwickelt seine neue – sportliche – Tätigkeitsrichtung und schickt die Mannschaft der Russlanddeutschen RusDeutsch nach Lausitz (Deutschland) zur Europeada, der Fußballeuropameisterschaft der nationalen Vereinigungen sprachlicher Minderheiten. Unsere Mannschaft war im Viertelfinale den Kroaten aus Serbien unterlegen.

2013

Februar 2013

Tolles Diktat

Im Jahr 2013 führte das Deutsch-Russische Haus im Gebiet Omsk erstmalig die Aktion Tolles Diktat durch. 2014 schlossen sich die Deutsch-Russischen Häuser in Nowosibirsk und Barnaul der Aktion an, 2015 das DRH in Moskau. Seitdem wird Tolles Diktat jedes Jahr vom Internationalen Verband der deutschen Kultur zum Tag der Muttersprache veranstaltet, der 1999 von der UNESCO eingeführt wurde und am 21. Februar gefeiert wird. Das Ziel der Aktion ist die Popularisierung des Deutschen und die Entwicklung der Schreibkompetenz in deutscher Sprache. Jeder kann daran teilnehmen.

September 2013

Im Jahr 2012 fiel die Auswanderung nach Deutschland auf ein Rekordtief.  Am 13. September 2013 wurde jedoch eine Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (BVG) beschlossen. Die drei Änderungsanträge gaben denjenigen Russlanddeutschen eine weitere Chance, deren Anträge auf Aussiedlung nach Deutschland zuvor abgelehnt worden waren. Seit diesem Jahr stieg die Zahl derjenigen, die sich für einen Umzug entschieden, stetig an – bis die Pandemie dieses Wachstum unterbrach.

Zahl der Spätaussiedler, die in den 2010er Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland zugewandert sind:

2010 - 2297 Pers.
2011 - 2092 Pers.
2012 - 1782 Pers.
2013 - 2386 Pers.
2014 - 5613 Pers.
2015 - 6096 Pers.
2016 - 6572 Pers.
2017 - 7043 Pers.
2018 - 7112 Pers.
2019 - 7149 Pers.
2020 - 4302 Pers.

Quelle: Bundesverwaltungsamt (BVA)

Dezember 2013

Am Vorabend des Jahres der deutschen Sprache und Literatur in Russland präsentiert der IVDK die Anthologie der Literatur der Russlanddeutschen der zweiten Hälfte des 20. – Anfang des 21. Jahrhunderts „Der misstrauischen Sonne entgegen“. Im Buchtitel – ein Zitat aus dem Gedicht von Robert Weber „Vom Schicksal meines Volkes“. Darin vergleicht der Autor die Russlanddeutschen mit den getrockneten Samen einer ausgepressten Zitrone, die am Ufer der Wolga im warmen Sand liegen. Der Held sammelt sie vorsichtig auf und schickt sie den Fluss hinunter – der misstrauischen Sonne entgegen. Selbst die Natur glaubt nicht an die Stärke der Russlanddeutschen, aber ihre Vorwärtsbewegung ist nicht vergebens.

2014

März 2014

Die ersten Ergebnisse der vom Sprachrat der Russlanddeutschen vorgeschlagenen neuen Ansätze für die Spracharbeit sind sehr vielversprechend. Von den 739 Grundschülern, die Deutsch in Kindergärten und Kindersprachclubs in der Region Altai und im Gebiet Omsk lernten, entschieden sich 571 dafür, die Sprache auch in der Schule zu lernen. Zur Unterstützung von Lehrern, die mit Vorschulkindern arbeiten, hat das IVDK-Team das Lern-Set „Deutsch mit Schrumdi“ entwickelt. Es enthält einen Leitfaden zum frühen Erlernen der deutschen Sprache, eine Handpuppe, Malbücher, Spiele und andere Materialien. Im Frühjahr 2014 begann man damit, das Set in Kindergärten und Kinderclubs im Gebiet Omsk und in der Region Altai zu erproben.

2015

September 2015

Seit 2015 findet im Schlosspark Zarizyno Großer Katharinenball statt, ein wichtiges Ereignis im Moskauer Kulturleben, ein gesellschaftliches Fest, das die von der großen Kaiserin begründeten Traditionen wiederbelebt. Das Programm umfasst Tänze, eine Wohltätigkeitstombola und Meisterkurse.

Meinungen über den Großen Katharinenball

2016

Januar 2016

So viel zum Erlass

Am 31. Januar unterzeichnete Präsident Wladimir Putin den Erlass „Über die Änderung des Erlasses des Präsidenten der Russischen Föderation Nr. 231 vom 21. Februar 1992 „Über dringende Maßnahmen zur Rehabilitierung der Russlanddeutschen“ “. Aus dem vor fast einem Vierteljahrhundert verabschiedeten Dokument, das den zwei Millionen Deutschen Hoffnung auf die Wiedererlangung ihrer Wolgarepublik gab, sind nun die Worte „Wiederherstellung der Staatlichkeit“ gestrichen. Statt der „schrittweisen Wiederherstellung“ werden die Machtorgane sowie die öffentlichen Organisationen der Russlanddeutschen mit der „Rehabilitierung, sozioökonomischen und ethnokulturellen Entwicklung der Russlanddeutschen“ beauftragt.

Mai 2016

Pro domo

Am 24. Mai fand in Omsk im Rahmen der 24. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen die langerwartete Eröffnung des Kultur- und Geschäftszentrums „Deutsch-Russisches Haus“//Omsk statt: Das rote Band wurde feierlich von dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, dem Leiter der russischen Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten, Igor Barinow, dem Gouverneur des russischen Gebiets Omsk, Viktor Nasarow und dem Präsidenten der Föderalen Nationalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen, Heinrich Martens, durchgeschnitten. Das neue Haus wird zur Plattform für die Durchführung verschiedenartiger ethnokultureller Projekte und den Aufbau von für beide Seiten vorteilhaften Geschäftskontakten zwischen Unternehmern aus der Bundesrepublik Deutschland und dem Gebiet Omsk. Die erste auf der Basis des Hauses abgehaltene Veranstaltung war das Kultur- und Geschäftsforum „Mady by Deutschen in Russland. Potential. Kooperation. Branding“.

2017

Mai 2017

Geschenk für die Lutheraner

Im Jahr des 500-jährigen Reformationsjubiläums veröffentlichte der IVDK das Album „Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her…“, das die Leser in die Geschichte des Luthertums in Russland einführt und mit Werken der Maler von der Künstlervereinigung der Russlanddeutschen illustriert ist, erschienen sind auch das Buch „Gedenkt an Eure Lehrer…“ mit Biographien berühmter Pastoren und das Gesangbuch „Ein neues Lied wir heben an…“, das geistliche Werke von Martin Luther, seinen Mitstreitern und Weggefährten sowie eine Reihe der bei den Russlanddeutschen beliebten Lieder enthält.

Oktober 2017

Die Kirche erhielt die Kirche zurück

Am 100. Jahrestag der Revolution, dem 25. Oktober nach dem alten Kalender, gab der russische Staat, der die Kirche einst ihren Gemeindemitgliedern weggenommen hatte, sie ihnen feierlich zurück: Die St. Peter-und-Paul-Kathedrale in Moskau ist nun im Besitz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland. Bei der Zeremonie war der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anwesend.

2018

April 2018

Eine unvollendete Fotogeschichte

Am 12. April 2018 fand an einem bekannten Ausstellungsort in Moskau – Zentrum für Fotografie
der Brüder Lumière – im Rahmen der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum von „Moskauer Deutschen Zeitung“ die Eröffnung der Ausstellung „Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte“ statt. Einzigartige Bilder aus dem Staatlichen Historischen Archiv der Wolgadeutschen in Engels und dem Russischen Staatlichen Film- und Fotoarchiv in Krasnogorsk erzählten über das Leben der am 19. Oktober 1918 gegründeten Autonomie der Wolgadeutschen, die nach dem Erlass „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen“ vom 28. August 1941 aufgelöst wurde. In den Jahren 2018–2020 wurde die aktualisierte Ausstellung in 11 Städten in Deutschland gezeigt. Nun wird die mit neuen Materialien ergänzte Ausstellung unter dem Namen „Die Wolgadeutschen. Eine unvollendete Fotogeschichte“ ihre Reise durch Russland fortsetzen.

2019

März 2019

März 2019

Was erinnert heute daran, dass es im Wolgagebiet einst eine deutsche Republik gab, und wie halten es damit die Einheimischen? Besteht die Gefahr, dass die Deutschen nicht mehr in Russland bleiben wollen? Warum kehren einige Spätaussiedler in ihre Heimat zurück? Diese und andere Fragen stellt Radiojournalistin Martina Wiedemann ihren Studiogästen am Neuen Arbat in Moskau – Gesellschaftsaktivisten, Redakteuren der russlanddeutschen Medien, Geschäftsleuten und Kulturschaffenden. Die dabei entstandenen Gespräche bildeten die Grundlage für die 12 Podcasts „Die Wolgarepublik. Eine unvollendete Geschichte“, die von Oktober bis März auf dem Portal RusDeutsch veröffentlicht wurden. Diese 30-minütigen Sendungen sind wie Puzzleteile, die sich zu einem Bild von der Geschichte und dem heutigen Leben der Russlanddeutschen zusammenfügen lassen.

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Professorin der Russischen Akademie für Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation und  Generaldirektorin des Instituts der Energie des Wissens, Dr.phil. Tatjana Ilarionowa, begann ihre Karriere in den späten 1970er Jahren als Journalistin bei der sowjetdeutschen Zeitung „Neues Leben“. In der Radiosendung aus der Folge „Das deutsche Wolgagebiet“ erinnert sie sich an ihre Arbeit in der Zeit der Perestroika, an Dienstreisen in kompakte Siedlungsgebiete der Russlanddeutschen und an die Briefe, die in der Redaktion der Zeitung „Neues Leben“ eingingen.  Tatjana Ilarionowa wählte aus Tausenden von Briefen etwa hundert aus, die in ihr Buch „Das Schicksal der Russlanddeutschen: Ein kollektives Bekenntnis in Briefen“ aufgenommen wurden. Auszüge daraus sind auch in der Radiosendung zu hören.

2020

Март 2020

Wie geht es weiter?

Die Coronavirus-Pandemie platzte jäh in unser Leben. Ein Jahr nach der Einführung der Beschränkungen teilt die erste stellvertretende Vorsitzende Dr. Olga Martens ihre Gedanken darüber mit, wie sich die Arbeit des IVDK im Jahr 2020 verändert hat, was uns die Pandemie gelehrt und worüber sie uns zum Nachdenken gebracht hat.

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Wie geht es weiter?

Die Pandemie kam unerwartet, als das Planungskonzept für das ereignisreiche und projektreiche Kalenderjahr 2020 schon stand. Die Zeit während der einige Monaten lang andauernden Quarantäne war eine Zeit des Nachdenkens und der Neuausrichtung der Arbeit der gesamten Organisation. Hinter uns steht eine Volksgruppe, die mindestens 400 Tausend Menschen zählt. Und angesichts der verstreuten Wohnorte war es notwendig, die Arbeit so zu organisieren, dass wir sichtbar bleiben, dass virtuelle Kontakte hergestellt werden und dass, wo immer möglich, Bedingungen geschaffen werden, unter denen sich Menschen in einem neuen Format treffen können. Ich werde hier nicht auf all die zusätzlichen organisatorischen Schwierigkeiten eingehen, die mit Vorschriften, Dokumentation, der Umstellung auf Homeoffice-Tätigkeit über eine für viele neue Software und, was in dieser Zeit besonders wichtig ist, mit der Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen verbunden sind.

Infolge der Pandemie  mussten die Programme des IVDK überarbeitet werden, der Großteil der Projektmittel wurde nun für die Unterstützung der Menschen, insbesondere der älteren Generation verwendet. Die Mittel für Sozialprogramme und die medizinische Versorgung konnten aufgrund des Ausfalls von vielen Präsenzprojekten zur Verfügung gestellt werden.

Obwohl wir im Grunde genommen auf eine solche Entwicklung – die Umstellung vieler Tätigkeitsbereiche auf Online-Format – vorbereitet waren. Seit Ende der 1990er Jahre hat der IVDK zahlreiche Programme zur Vermittlung von Computerkenntnissen, auch für die ältere Generation, durchgeführt, bei traditionellen Projekten wurden digitale Technologien umfassend genutzt. Und so kam im Frühjahr 2020 alles zum Einsatz: die elektronische Bibliothek, das virtuelle Museum der Russlanddeutschen, die elektronische Enzyklopädie. Im Bildungsbereich sind neue Ideen zum Tragen gekommen, und die Nutzung von Videoinhalten ist gestiegen. Wir haben begonnen, digitale Werkzeuge aktiver zu nutzen, und sind technisierter und dynamischer geworden.

Diese neue Art der Kommunikation hat jedoch einen enormen Nachteil: Es fehlt der „Wärmeaustausch“. Der Wert der lebendigen Kommunikation besteht darin, dass sie für die Arbeit in dem schwierigen Bereich der interethnischen Beziehungen Kraft verleiht.

Und je „technologisierter“ wir wurden, je öfter wir uns im „Bildschirmfenster“ trafen, desto mehr erkannten wir den Wert echter Kommunikation und desto mehr begannen wir über die stattfindenden globalen Prozesse zu reflektieren.   Es ist ein soziales Vakuum entstanden, weswegen sich unser Gedächtnis um 180 Grad gedreht hat.

Freilich denkt man am Vorabend großer Jubiläen und Gedenktage – und die Russlanddeutschen haben in diesem Jahr mehrere – immer über den Weg, den man zurückgelegt hat, nach, und stellt sich die Frage: „Wie soll es weiter gehen?“ Und dann tritt alles Erreichte in den Hintergrund und man hat wieder ein leeres Blatt Papier vor sich. Oder einen leeren Computerbildschirm…

Der wichtigste Motor und die Kraftquelle der Russlanddeutschen war in all den Jahren unser historisches Gedächtnis und Schicksal, das weitgehend von den Zeitzeugen und unserer Pflicht ihnen gegenüber getragen wurde. Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem es keine Zeitzeugen der Existenz einer deutschen Autonomie im Wolgagebiet mehr gibt, und die Zeitzeugen der Deportation der Deutschen lassen sich an einer Hand abzählen.

Neuere ethnosoziologische Erhebungen, auf die wir uns stets stützen, zeigen, dass sich das Verhältnis der ethnokonsolidierenden Merkmale (Schicksal, Kultur, Sprache) verschiebt. Der Traum von der Wiederherstellung der Republik der Wolgadeutschen rückt immer weiter in die Vergangenheit, und die Realität wird immer virtueller. Und was einem noch so am Herzen liegt, weil „Opa es erzählt hat“, verläuft wie Sand am Meer, und man muss ständig abwägen, ob man ehrlich zu sich selbst und zu den Menschen ist, die man führt. Und im Dreieck „Mensch – Gesellschaft – Staat“ ist man zu Kompromissen verpflichtet, im Austausch für die Unterstützung der Menschen, die in Russland als Deutsche geboren wurden.

Und so bereiten wir uns heute, die wir am Schnittpunkt der Sprachen und Kulturen im multikulturellsten Land der Welt leben und „Russlanddeutsche“ genannt werden (dieser Begriff existiert übrigens nicht in der offiziellen Auflistung der Nationalitäten), auf Jubiläen und Gedenkfeiern vor, das  Lieblingslied der Russlanddeutschen für alle Lebenslagen – „Schön ist die Jugend“ summend. Wir setzen unser Denken und Handeln fort: Alles, was wir tun, um unsere Geschichte, Kultur, Architektur und Sprache zu bewahren, ist eine Ehrerweisung an unsere Vorfahren. Es ist der Dank an unser Volk für das, was wir retten konnten, was wir durch die schweren Prüfungen des 20. Jahrhunderts getragen haben und was wir unseren Kindern heute als das Beste von dem zurückgeben, was Deutsche in Russland geschaffen und bewahrt haben. Und das alles zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Vergangenheit und Zukunft, und jetzt auch im virtuellen Raum.